„Mit der Bergpredigt kann man nicht regieren“
von Hans-Peter Mumssen
In einem Gespräch mit Pilatus sagte Jesus Christus einen bedeutsamen Satz: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ (Joh. 18,36) Dieser kurze Satz hat große Auswirkungen darauf, wie wir uns als Christen verhalten sollen.
Jemand meinte einmal: „Mit der Bergpredigt kann man nicht regieren.“ Ich stimme dem zu, denn was Jesus uns darin mitteilt, gilt denen, die eine freiwillige Entscheidung getroffen haben, seine Worte zu befolgen. Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen: Nehmen wir einmal an, wir müssten im Himmel Steuern oder irgendeine Art von Umlage bezahlen, so würden wir dort keinerlei Kontrolle, keine Strafandrohung und keine Bußgelder finden. Alle täten es freiwillig und gern, denn wer es nicht freiwillig täte, wäre überhaupt kein Bürger dieses Reiches. Die Mechanismen, die in der heutigen Welt angewendet werden, um Menschen dazu zu bekommen, Regeln zu befolgen, wird es im Himmel nicht geben.
Wir Christen leben also gewissermaßen in zwei Reichen. Das eine Reich versucht, das Böse mehr oder weniger in Schach zu halten, im anderen Reich wird das Böse überhaupt keinen Platz mehr finden. In dem einen Reich suchen immer wieder Menschen ihren Vorteil nach dem Motto: „Der Zweck heiligt die Mittel“, in dem anderen Reich ist der Mittelpunkt nicht der eigene Vorteil, sondern Gott und unseren Erlöser Jesus Christus.
Nun geht es in vielen Worten Jesu darum, wie wir uns als Bürger seines Reiches in dieser heutigen Welt verhalten sollen. Erst einmal, so sehe ich das, sollen wir nach den Maßstäben Jesu leben. Und wenn wir uns verfehlen, – wir sind ja auf dem Weg und noch nicht am Ziel – können wir Vergebung suchen und uns wie eine Kompassnadel immer wieder auf Jesus Christus und sein Wort ausrichten. Doch wir leben ebenfalls in dieser Welt, der wir nicht einfach die Maßstäbe Christi überstülpen können. In ihr müssen wir manchmal auch Grenzen ziehen, andere schützen, uns nicht einfach über den Tisch ziehen lassen und gegebenenfalls sogar über das Schicksal anderer Menschen entscheiden. Was wir aber nicht müssen, ist: lügen, die Wahrheit zurückhalten, Menschen vorverurteilen, rechthaberisch sein und vieles mehr.
Manchmal ist es nicht leicht, gleichzeitig in der Welt Gottes und in dieser Welt zu leben und entsprechend zu handeln. Doch ich glaube, Gott hat uns bewusst in diese Situation gebracht. Das lesen wir im hohepriesterlichen Gebet Jesu: Ich bitte dich nicht, sie aus der Welt zu nehmen, aber schütze sie vor der Macht des Bösen! Sie gehören ebenso wenig zur Welt wie ich. Lass ihnen deine Wahrheit leuchten, damit sie in immer engerer Gemeinschaft mit dir leben! Dein Wort ist die Wahrheit! (Joh. 17,15-17) Gerade weil wir in zwei Reichen leben, können wir etwas aus der Welt Gottes in diese Welt hineinleuchten lassen. Wir können barmherzig sein, Böses nicht mit Bösem vergelten, Vertrauen investieren und dort lieben, wo wir nicht geliebt werden. Denkt einfach mal darüber nach, wenn Ihr eine Adventskerze nach der anderen anzündet. Wie können wir dieses Licht Jesu Christi in unsere Welt leuchten lassen?